Gestern war – nach meinem Empfinden – einer der chaotischsten Tage des Jahres, was Störungen und Verspätungen im Kölner Stadtbahnverkehr betraf. Haupt-Auslöser war wohl eine defekte Linie 18, die mehrere Stunden lang die Strecke an der Slabystraße blockierte. Daher wurde die 18 über die Hochbahn-Strecke der 13 umgeleitet. Zwischendurch gab es dann wohl noch Probleme mit einer 13 an der Nussbaumerstraße, so dass eine Zeitlang gar keine Züge mehr auf die „Vorgebirgsbahn“ Richtung Bonn gelangten.
Als die Umleitungs-Strecke und später auch die planmäßige Strecke wieder frei wurden, waren verständlicherweise die Züge der 18 komplett aus dem Fahrplantakt. Für Leitstelle und Fahrer geht es nun darum, die Züge so „kurzzusetzen“, dass sie mit einer Wendefahrt vor der Endstation möglichst wieder auf ihre Fahrplanzeit gelangen können. Dabei muss natürlich auch berücksichtigt werden, dass genügend Züge auch die Streckenabschnitte bis zu den Endstellen bedienen, damit die Fahrgäste auch dorthin gelangen können. Was aber u.A. wegen Dienstplan, Arbeitszeiten und Ablösungen nicht immer so einfach ist.
„Meine“ 18 hatte nun die planmäßige Endstelle Klettenbergpark. Sie war laut Fahrplan etwa 20 Minuten zu früh, was beispielsweise dann vorkommt, wenn sie fast eine komplette Rundenzeit hinter der Störstelle festhing.
Am Barbarossaplatz sprach mich ein Fahrgast an, weil laut Anzeige 4 Kurse bis Klettenberg fahren würden. Wann denn endlich ein Zug nach Brühl oder Bonn käme? Ich empfahl ihm, doch erstmal bis Klettenberg mitzufahren; vielleicht würde z.B. dieser Zug ja bis Hürth-Hermülheim verlängert.
Und so kam es: Ich teilte der Leitstelle mit, dass ich – wenn gewünscht – die Fahrgäste bis Hermülheim bringen und dennoch auf der Rücktour pünktlich starten könnte. Man bedankte sich für den Vorschlag, sprach mit dem Stellwerk der HGK. Und ich schilderte „Hürth-Hermülheim“. Passend für den Fahrgast, dem ich die Mitfahrt empfohlen hatte, als noch „Klettenbergpark“ auf dem Zug stand. Aber unnütz für die Fahrgäste, die sämtliche Klettenberg-Züge haben an sich vorbeifahren lassen, weil sie ja bis Efferen oder Hermülheim gelangen wollten.
Und damit sind wir bei dem „Grundgesetz“ des Survivals im Nahverkehrs-Dschungel zu Störungszeiten: Fahre Deinem Ziel schonmal so weit wie möglich entgegen. Auch wenn der Zug Dich (laut aktueller Anzeige) nicht ganz bis dorthin bringen wird. Die Anzeige kann sich ja noch ändern, wenn der Fahrer neue Anweisungen erhält. Ob Du nun am Barbarossaplatz oder in Hermülheim im Regen stehst, macht nicht so einen großen Unterschied. Aber Deine Chancen steigen beträchtlich, Dein Fahrziel früher zu erreichen.
In Hermülheim hatte ich dann noch kurz Zeit für einen Toilettengang. Dabei kam ich am Bahnsteig wieder an dem erwähnten Fahrgast vorbei. Gerade hatte er den Zug Richtung Brühl vorbeifahren lassen – also sprach ich ihn freundlich an. Er meinte, „Brühl“ nütze ihm nichts, weil er weiter müsse und daher auf die 18 „Bonn“ warten müsse. Offenbar hatte er die oben genannte Strategie noch nicht verstanden.
Daher erklärte ich sie ihm nochmal kurz: Was ist, wenn der Fahrer der Brühler 18 nun die Anweisung bekommt, doch bis Bonn durchzufahren? Er ist dann nicht an Bord. Oder wenn die Leitstelle Bonn beschließt, einen verspäteten Zug nur von Bonn nach Brühl und wieder zurück nach Bonn zu schicken? Er steht dann noch nicht in Brühl am Bahnsteig…
Da machte es fast hörbar „Klick“ bei dem Fahrgast, und er hatte das Prinzip verstanden. Bei der nächsten größeren Fahrplanstörung wird er seine neu erworbenen „Nahverkehrsdschungelüberlebensskills“ vermutlich praktisch anwenden können und vielleicht trotz Verspätungs-Chaos mit einem zufriedenen Grinsen in der „Klettenberg-18“ an den wartenden Fahrgästen vorbeifahren. Und 45 Minuten früher zu Hause sein als sein Nachbar, den er draußen unter den Wartenden erblickt.